Das Ende des 16.Bauabschnitts der Berliner Stadtautobahn A100 in Berlin-Treptow

Die Geschichte des 16. Bauabschnitts der A100: Eine Chronik ohne echte Bürgerbeteiligung

Der 16. Bauabschnitt der Berliner Stadtautobahn A100, der von Neukölln nach Treptow reicht, ist ein umstrittenes Infrastrukturprojekt, das Jahrzehnte der Planung und Kontroversen umfasst. Dieser Abschnitt, der am 27. August 2025 eröffnet werden soll, symbolisiert die Priorisierung autogerechter Stadtplanung über umwelt- und sozialverträgliche Alternativen. Besonders auffällig ist die fehlende echte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger: Wesentliche Entscheidungen – von der Linienführung bis zur Finanzierung – wurden in geschlossenen Kreisen getroffen, während formelle Beteiligungsverfahren lediglich als Alibi dienten.
 
❤ Vielen Dank für Deine Unterstützung! ❤
▶ Erhalte aktuelle Infos hier in unserem Newsletter 📩

Im Folgenden wird die Geschichte des Projekts chronologisch dargestellt, mit einem Fokus auf die mangelnde Partizipation der Öffentlichkeit.

Die Ursprünge in den 1950er Jahren: Planung einer autogerechten Stadt

Die Wurzeln des A100-Rings reichen in die 1950er Jahre zurück, als West-Berlin im Zeichen der „autogerechten Stadt“ einen umfassenden Autobahnring in der Innenstadt plante, ergänzt durch vier Tangenten. Dieser Ansatz, inspiriert von westdeutschen Modellen, sah den Individualverkehr als zentralen Faktor für wirtschaftliches Wachstum. Bereits 1955 fasste der Berliner Senat einen entsprechenden Beschluss. Die Planungen berücksichtigten keine breite Bürgerbeteiligung; sie waren eine Angelegenheit von Experten und Politikern.

Die 1990er Jahre: Wiederaufnahme nach der Wende

Nach dem Fall der Mauer 1989 wurden die Planungen für den Ostteil des Autobahnrings wieder aufgegriffen. In den 1990er Jahren integrierte man den 16. Bauabschnitt in zentrale Planungsdokumente: 1992 wurde er in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen, 1994 folgte die Eintragung in den Flächennutzungsplan Berlins. 1996 bestimmte das Bundesverkehrsministerium die Linienführung – eine Entscheidung, die ohne jegliche öffentliche Konsultation fiel. Bürgerinitiativen oder Betroffene hatten zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen; die Weichenstellungen erfolgten hinter verschlossenen Türen.

Die 2000er Jahre: Festigung des Projekts trotz aufkeimender Kritik

Im Jahr 2003 wurde der Abschnitt im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft, was den Bau priorisierte. Zu dieser Zeit lagen die geschätzten Kosten bei etwa 312,6 Millionen Euro. Später folgte eine Bestätigung des Kostenrahmens, der sich jedoch kontinuierlich erhöhte (bis auf über 720 Millionen Euro im Jahr 2025). Ab 2007 organisierten Bürgerinitiativen wie die Bürgerinitiative Stadtring Süd BISS und ab 2010 das Aktionsbündnis A100 stoppen zahlreiche Info-Veranstaltungen, um auf die Risiken hinzuweisen – wie Lärm, Umweltbelastung und Zerstörung von Grünflächen. Doch Stimmen dieser Initiativen blieben ohne offizielle Anerkennung; der Antrag auf Planfeststellung 2008 markierte den nächsten Schritt, wieder ohne breite Beteiligung.

2009–2010: Formelle Beteiligung als Alibi und parteiinterne Kontroversen

Das Frühjahr 2009 brachte die öffentliche Auslegung der Pläne: Etwa 3.000 Betroffene reichten Einwendungen ein, was den Beginn massiver Proteste einleitete. Im Herbst 2009 folgte eine öffentliche Erörterung der Einwendungen. Dies war die einzige formelle Phase der Bürgerbeteiligung – doch sie hatte keinen echten Einfluss: Die Kernentscheidungen waren bereits gefallen, und die Erörterungen führten zu keinen substanziellen Änderungen.
Parallel dazu zeigten sich Risse in der Politik: Am 17. Mai 2009 stimmte die Berliner SPD auf ihrem Landesparteitag mit 118 zu 101 Stimmen gegen die Verlängerung der A100. Dennoch hielten SPD-Fraktion und Senat am Projekt fest und ignorierten den Parteibeschluss. Ein Jahr später, am 26. Juni 2010, kippte die SPD unter Druck des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit den Beschluss: Mit 113 zu 108 Stimmen und einer Enthaltung votierten die Delegierten für den Weiterbau. Diese internen Kämpfe unterstreichen, wie wenig Raum für externe Stimmen blieb.

Ab 2011: Genehmigung, Bau und anhaltende Kritik

2011 erging der Planfeststellungsbeschluss, gegen den Klagen eingereicht wurden – letztlich erfolglos. Der erste Spatenstich folgte am 8. Mai 2013. Trotz jahrelanger Proteste, Demonstrationen und Petitionen blieb der Bau unverändert. Die geplante Eröffnung am 27. August 2025 markiert das Ende einer Ära, in der Bürgerbeteiligung auf ein Minimum beschränkt war.

Fazit: Scheinbeteiligung statt echter Demokratie

Die Geschichte des 16. Bauabschnitts zeigt ein Muster: Wesentliche Weichenstellungen – Linienführung, Bedarfsklassifizierung und Kostenrahmen – erfolgten in den 1990er und 2000er Jahren ohne aktive Bürgerbeteiligung. Die formelle Phase 2009 war ein reines Ritual, das keine Änderungen ermöglichte. Kritiker sprechen von „Scheinbeteiligung“, die demokratische Prinzipien untergräbt. Für zukünftige Projekte fordern wir verbindliche Partizipation von Anfang an – um Städte lebenswert und nicht autogerecht zu gestalten.

Chronologie der wichtigsten Ereignisse

Hier eine chronologische Übersicht über die zentralen Meilensteine des 16. Bauabschnitts der A100, basierend auf den genannten Fakten und ergänzt um relevante Details.

  • 1950er Jahre: Planung der autogerechten Stadt mit Autobahnring in der Innenstadt und 4 Tangenten.
  • 1990er Jahre: Wiederaufnahme der Planungen des Autobahnrings nach dem Mauerfall. 
  • 1992: Aufnahme des 16. Bauabschnitts in den Bundesverkehrswegeplan.
  • 1994: Aufnahme des 16. Bauabschnitts in den Flächennutzungsplan Berlin.
  • 1996: Linienbestimmung des 16. Bauabschnitts durch das Bundesverkehrsministerium.
  • 2003: Bestätigung des 16. Bauabschnitts als „vordringlicher Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan; geschätzte Kosten bei etwa 312,6 Mio. €. (Quellen: Wikipedia – Bundesautobahn 100; A100 stoppen! – Kostenexplosion)
  • 2007: Bestätigung des Kostenrahmens für den 16. Bauabschnitt (später mehrmals erhöht). (Quellen: Wikipedia – Bundesautobahn 100; A100 stoppen! – Kostenexplosion)
  • Ab 2007: Zahlreiche von Bürgerinitiativen (wie der BISS und später A100 stoppen!) organisierte Info-Veranstaltungen zur A100-Planung.
  • 2008: Antrag auf Planfeststellung des 16. Bauabschnitts.
  • Frühjahr 2009: Öffentliche Auslegung der Autobahnpläne, ca. 3000 Betroffene reichen Einwendungen ein, Beginn massiver Proteste. (Quellen: Wikipedia – Bundesautobahn 100; Signalarchiv)
  • 17. Mai 2009: Die Berliner SPD stimmt beim Landesparteitag mit 118 zu 101 Stimmen gegen eine Verlängerung der A100 von Neukölln nach Treptow. Die SPD-Fraktion und der Senat befürworten den Ausbau weiter. (Quellen: B.Z. Berlin; Berliner Morgenpost)
  • Herbst 2009: Öffentliche Erörterung der Einwendungen.
  • 26. Juni 2010: Die Berliner SPD stimmt auf ihrem Landesparteitag mit 113 zu 108 Stimmen und einer Enthaltung für den Weiterbau der A100, nach Druck von Klaus Wowereit. (Quellen: Tagesspiegel; taz)
  • 29. Dezember 2010: Planfeststellungsbeschluss (Genehmigung der Baupläne) und Klagen dagegen. Beschluss VII E – 2/2010 – Berlin.de
  • 2012: Ablehnung der Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss durch das Bundesverwaltungsgericht
  • 8. Mai 2013: Erster Spatenstich.
  • 27. August 2025: Eröffnung des 16. Bauabschnitts der A100.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert