Dieses Statement eines Berliner Autobahrers zur geplanten Verlängerung der Stadtautobahn A100 und zur Verkehrpolitik wurde im Juni 2015 verfaßt und ging gleichermaßen an Parteien, Fraktionen des Bundes und des Abgeordnetenhauses sowie entsprechende Ministerien des Bundes/ Senatsverwaltungen Berlins und an die Presse, im wesentlichen ohne Reaktion.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich las heute, dass die Weiterführung A 100, Treptow–Lichtenberg, in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird, Anlass für mich, dazu Gedanken darzulegen.
Ich bin Autofahrer und mag auch gute Autostraßen, dies sei vorausgeschickt.
Dieses Projekt A 100 derzeit und auch mittelfristig weiter zu verfolgen, wirft kein gutes Licht hinsichtlich Bürgernähe, Weitsicht und Kompetenz auf die politischen Entscheidungsträger.
In Berlin, wo bekanntlich die Finanzlage eher nicht rosig ist, wo nachweislich fast kein größeres , mittleres oder kleineres Projekt zeitnah fertig wird und im Regelfall mit einer Kostenexplosion verbunden ist, solch ein Projekt jetzt oder bald zu starten, hinterlässt nur verblüffte Bürger. So, wie mein gesamter Bekanntenkreis, sage ich, bei diesem Projekt geht es doch nicht etwa um Verbesserung einer Verkehrssituation, sondern um politische Macht- und Durchsetzungsspiele, die Kosten werden kleingerechnet, die Ehrlichkeit politischen Wirkens wird ausgehebelt.
Politiker, die dafür verantwortlich sind, sollten einmal offenen Auges durch unser Berlin gehen. Dann würden sie sehen, dass überall Stau ist, aufgerissene Straßen, die nicht fertig werden, oft angefangen und stillgelegt und wenn nicht, dann arbeiten drei Straßenbauer auf einem großen Baulos, nichts scheint koordiniert zu sein, Ausschreibungen werden im Regelfall an den preisgünstigsten Anbieter vergeben, demzufolge oft an solche mit dem geringsten Know how, resultierende Folgekosten sind dann in Sicht, aber regelmäßig nicht eingeplant. Mittel- und langfristige Erhaltungskosten für Neu-Projekte werden im Regelfall nicht eingestellt, politisch nicht durchsetzbar, wie man mir schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der damaligen Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen mitteilte. So führt man ein Staatswesen langfristig in das Chaos, wie sich dies am Zustand der Ingenieurbauwerke auf deutschen Autobahnen beweisen lässt. Noch schlimmer ist der Zustand der Stadtstraßen, Radwegsituation, Grünflächen … in den Kommunen, auch in Berlin.
Vorhandenes erhalten und pflegen, bevor an Neues gedacht wird, das wäre ein würdiges, nachhaltiges, bürgernahes politisches Prinzip, es würde unserer schönen Stadt zu Gute kommen. Was eigentlich wollen wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen, diese Frage soll und muss jeder für sich beantworten?!
Die vorhandenen Straßen Berlins sind zunehmend in einem katastrophalen Zustand, die Finanzmittel und die personelle Projektbetreuungskapazität (durch selbstgemachtes Verschlimm-Sparen) in der Verwaltung völlig unzureichend. Die Ausdünnung von Verwaltungsfachkapazität und das Ignorieren der Notwendigkeit der Nachbesetzung von Erfahrungsträgern über viele Jahre hat dazu geführt, dass die Verwaltung seit langem nicht mehr ebenbürtiger Partner der Auftragnehmer von Projekten ist mit der Folge, dass offensichtlich meist keine anspruchsvollen, selbst durchkalkulierten Fertigstellungstermine mehr gesetzt und entsprechende Regressforderungen bei Nichteinhaltung gefordert werden, eben Schlendrian um sich gegriffen hat. Die jahrelang andauernden Belastungen der Anlieger mit den wirtschaftlichen Einbußen der Geschäftsinhaber werden nicht ernst genug genommen, weil vorgeblich das alles im Sinne des Gemeinwohls gemacht wird.
Und in dieser Situation, jetzt und in den vielen nächsten Jahren, will die politische Klasse zusätzliche Störung des Verkehrsgeschehens dieses Ausmaßes ohne Not herbeiführen. Das begreife, wer will.
Viel wichtiger wäre es, die Kraft, gemeinsam mit anderen Bundesländern, in ein politisches Verfahren zu Umwidmung von Bundesverkehrswege-Mitteln zu Mitteln für die Erhaltung von Stadtstraßen zu stecken.
Mündige Bürger, wie sie die politische Klasse immer wieder beteuernd so sehr will, sehen das beschriebene Dilemma und die Ohnmacht eben dieser politischen Klasse, umzusteuern – und sie wenden sich mit bestenfalls Bedauern ab, gehen nicht mehr zur Wahl, melden sich ab und ….. und manche warten mit Sehnsucht auf politische Entscheidungsträger mit ausreichendem komplexen Denkvermögen, Ehrlichkeit, Weitsicht, Resistenz gegen den teilweise überbordenden Lobbyismus und ausreichender Durchsetzungskraft für ein solches Umsteuern.
Es ist gut, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
Mit freundlichen Grüßen
H. Hahn